Ihr Vermögen. Unsere Verantwortung.

Buy-bye. Oder die Karnevalsgesellschaft schaltet das Licht aus.

"Oh, wie schön ist Panama", ist die Kindergeschichte vom kleinen Tiger und seinem Freund, dem Bär, die gemeinsam nach Panama reisen. Darum geht es in diesem Kommentar allerdings nicht. Aber zumindest Panama und das Paradies kommen vor. Und natürlich die schlauen Füchse, die es verstehen, ihre Steuern in Panama und im Paradies so niedrig zu halten, dass auch sie es dort einfach nur schön finden.

Buy-bye. Oder die Karnevalsgesellschaft schaltet das Licht aus.

Die Wirtschaft brummt. Die Rente steigt. Und die Steuereinnahmen sprudeln.

Uns Deutschen geht es gut wie lange nicht mehr. Da stört es uns auch nicht, dass unserem Staat dank Panama und dem Paradies Milliardenbeträge an Steuereinnahmen vorenthalten werden.

Oder sagen wir mal so: Es stört uns schon ein bisschen. Denn wir schreien ja auf und sind bestürzt. Unsere Laune vermiesen, lassen wir uns aber nicht. Wo kämen wir denn hin? Also machen wir gleich anschließend genauso weiter wie bisher. Die Karawane zieht weiter.

Und gemeinsam mit der Karnevalsgesellschaft lassen wir uns treiben, darauf wartend, dass sich jemand anderes schon drum kümmern wird. Schließlich ist es doch nicht unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass jeder Handy- und Sportartikelhersteller, jeder Rock-, Fußball-, Formel 1- und anderweitig überbezahlte Star oder alle sonstigen auf Rosen gebetteten Zuvielverdiener angemessen Steuern zahlen.

Da verlassen wir uns ganz auf Vater Staat und fokussieren uns herrlich unbeschwert auf die Freuden des persönlichen Dauerkarnevals. Dabei wäre es durchaus angebracht, auch mal selbst einen Teil dazu beizutragen, dass sich die Welt moralisch nicht selbst auseinander nimmt.

Ist es wirklich ein gute Idee, das Smartphone eines Herstellers zu kaufen, der nicht nur die höchsten Margen und Verkaufspreise hat, sondern gleichzeitig durch seine Steueroptimierungskünste deutlich weniger Steuern zahlt als eigentlich üblich?

Muss ich auf Konzerte gehen, bei denen das Rock-Idol aus meiner Jugend, das moralisch auf dicke Hose macht, mittlerweile Konzert-Ticketpreise aufruft, die einer Woche All Inclusive-Urlaub an der Ägäis gleichen? Muss ich das auch dann noch tun, wenn besagtes Rock-Idol ohne rot zu werden, 'With or without you'  und 'Where the streets have no name'  Steuern vermeidet?

Kein Zweifel, wem der Spaß näher ist als die Moral, der kann all das tun. Der darf auch dann, ohne zu zögern, weiter Autos von Herstellern kaufen, die dank staatlicher Abwrackprämien aus der Krise kamen und uns samt des Planeten anschließend mit Bonusabgasen beglückten. 

Natürlich kann man dann auch bedenkenlos Kunde von Banken sein, die Zinssätze und den Goldpreis manipulierten und vermögende Anleger mit „Cum-Ex“-Geschäften zum Steuerbetrug animierten.

All diejenigen dürfen sich dann aber nicht aufregen, wenn es an Kindergärten und Schulen und deren Ausstattung mangelt, wenn es in Behörden und auf Straßen nicht rund läuft und andere Infrastruktureinrichtungen zu wünschen übrig lassen.

Denn obwohl es uns gut geht, ist auch unser Staat hochverschuldet und das Geld für wichtige Infrastruktur- oder gesellschaftspolitische Projekte stets knapp. Jedes steuerverkürzende Unternehmen und jeder besserverdienende Steuerverkürzer schadet letztlich dem Gemeinwohl – und damit dem sozialen Frieden.

Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern moralisch höchst verwerflich.

Auch wenn wir die Auswirkungen nicht direkt zu spüren bekommen, langfristig sind diese fatal.

Denn trotz der in den letzten Jahren gut laufenden deutschen Wirtschaft liegt die Armutsquote bei uns bei 15,7%. Damit gilt fast jeder 6. Bundesbürger als arm. Man könnte es auch etwas spitzer formulieren: Das, was andere zu viel haben und an Steuern zu wenig zahlen, fehlt denen, die es dringend benötigen.

Das ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Armutszeugnis.

Das Hauptproblem an der ganzen Sache ist, dass es der Politik in der heutigen, globalisierten Welt an Mitteln fehlt, den Steuerverkürzungspraktiken etwas entgegen zu setzen. Einen „Schurkenstaat“, der sich selbst am nächsten ist und der lieber wenig als keine Steuern vereinnahmt, wird es immer geben. Und solange das der Fall ist, zieht auch die Karawane der Steuerverkürzer weiter – von einem Dumping-Steuerland ins nächste.

Ob Papiere aus Panama oder aus dem Paradies, passiert ist bis dato de facto nichts und wird es aller Voraussicht nach auch nicht.

Es sei denn: Die Karnevalsgesellschaft schaltet das Licht aus.

Es liegt in unserer Hand, aus der sorglosen Polonäse des Dauer-Karnevals ab und an mal auszuscheren, das Lachen einzustellen und moralische Verantwortung zu zeigen. In Großbritannien gab es Anfang der Dreißiger-Jahre mal eine Kampagne: „Buy british“ hieß es da.

Wie wäre es denn, ab und an mal „Buy-bye“ zu Firmen zu sagen, die es nicht besser verdient haben? Was der Staat nicht schafft, schaffen wir in der Gemeinschaft.

Und wenn der Handyhersteller mit der grünen Frucht dann aufgrund 3 Millionen weniger verkaufter Smartphones oder Tablets in Deutschland plötzlich an Vitaminmangel leidet, da ihm 3 Milliarden Euro Umsatz fehlen, ist ein steuerliches Umdenken durchaus nicht unwahrscheinlich.

Auch wenn es nicht für jeden gilt: Geld verdirbt den Charakter. Dumm daran ist, dass Geld die Welt regiert. Wenn nicht jeder von uns seine persönliche, moralische Verantwortung trägt, dürfen wir uns am Ende nicht wundern, wenn wir den Wagen eines Tages vor die Wand fahren.

In diesem Sinne: Buy-bye