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Die unerträgliche Leichtigkeit des Zinses. Oder: Warum die private Altersvorsorge der Deutschen eine Katastrophe ist.

Wir Deutschen gelten immer noch als die Spar-Weltmeister schlechthin. Das meiste Geld legen wir dabei für die Altersvorsorge zurück. Was kaum jemand der fleißigen Sparer weiß: Wir sparen falsch. Die dramatischen Konsequenzen liegen bereits heute auf der Hand.

72,2 Millionen Versicherungsverträge für die Altersvorsorge mit einem Anlagevolumen von rund 1 Billion Euro gibt es laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) derzeit. Zieht man die jungen und jüngsten Generationen ab, die noch nicht für ihr Alter vorsorgen können, hat statistisch betrachtet jeder Deutsche mindestens eine Versicherung zur Altersvorsorge abgeschlossen.

Rechnet man das Anlagevermögen in Pensionskassen und Pensionsfonds hinzu, summiert sich das Anlagevolumen der Deutschen in der privaten Altersvorsorge auf stattliche gut 2 Billionen Euro. Das klingt auf den ersten Blick nicht nach Katastrophe.

Bedenkt man jedoch, wie dieses Vermögen derzeit angelegt wird, müsste eigentlich jeder unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutschen und eine kurzfristige Teilnahme bei Wer wird Millionär? ins Auge fassen. 

Denn: Knapp 90% des Vermögens in Lebens- und Rentenversicherungen sowie in Pensionsfonds und Pensionskassen sind in festverzinslichen Wertpapieren bzw. Anleihen von Staaten, Unternehmen und Banken investiert. Für erstklassige, vermeintlich sichere Anleihen aus diesen Segmenten liegen die Zinssätze bereits seit längerem nahe oder gar unter der Nullmarke. Nehmen wir beispielsweise eine Unternehmensanleihe von BAYER. Hier erzielt man derzeit bei einer Laufzeit von rund 4 Jahren  eine Rendite von gerade einmal 0,25% pro Jahr. Die deutsche Bundesanleihe mit 5-jähriger Laufzeit unterbietet sogar diesen Mini-Zins noch und rentiert mit -0,4% im negativen Terrain.

Selbst wenn die verbleibenden 10% des Vermögens von Versicherungen, Pensions-kassen und Pensionsfonds eine jährliche Rendite von 8% einfahren würden, kann der Gesamtertrag derzeit kaum über die 1%-Marke hinaus reichen. Und das vor Kosten.

Berücksichtigt man die jährlichen, laufenden Verwaltungskosten von durchschnittlich rund 1% sowie die zudem anfallenden, alles andere als unerheblichen Abschlusskosten, gehen die Lichter gänzlich aus. Eine schwarze Null wäre damit schon fast eine positive Überraschung. Diese Magerkost weist Ihnen derzeit freilich kein Versicherer aus, da ihm das Gesetz freundlicherweise schlaue Werkzeuge zur Glättung der langfristigen Ergebnisse an die Hand gibt. Damit werden – vereinfacht gesagt – Erträge aus Hochzinsphasen auf Niedrigzinsphasen verschoben.

Das geht allerdings nur so lange gut, bis so viel von hinten nach vorne geschoben wurde, bis hinten genauso glatt, oder besser platt ist wie vorne.  

Mit anderen Worten: Bleiben die Zinsen über einen längeren Zeitraum niedrig, glätten sich absehbar auch die Pfründe vergangener Jahre weg und die ungeschönte Wahrheit kommt auf den Tisch: Die Altersvorsorge dümpelt ertragslos vor sich hin.

Wer nun darauf setzt, dass sich das Thema mit den zu niedrigen Zinsen über kurz oder lang von alleine regelt, der setzt auf das falsche Pferd. Zinsniveaus, die eine Altersvorsorge in einer Versicherung, einer Pensionskasse oder in einem Pensionsfonds rentabel gestalten könnten, sind vor dem Hintergrund des aktuellen wirtschaftlichen Umfelds selbst bei größtem Optimismus nur schwer herzuleiten.

Zum einen sind die hoch verschuldeten Staaten nicht in der Lage, deutlich höhere Zinssätze für ihre Staatsschulden zu bedienen. Höhere Zinsen würden damit also auch die Gefahr von Staatspleiten massiv erhöhen.

Zum anderen rechtfertigt nur nachhaltiges Wachstum höhere Zinsen. Nachhaltiges Wachstum ist allerdings alles andere als ein Selbstläufer. Denn bereits in den letzten Jahrzehnten musste jeder Euro Wachstum mit einem Euro neuer Schulden erkauft werden. Da es im derzeitigen Umfeld aber um den Abbau der deutlich zu hohen Verschuldung geht, fällt die eigentlich unerlässliche Neuverschuldung als Wachstumsturbo aus. Hinzu kommt in den Industrieländern eine überalternde und damit weniger konsumfreudige Bevölkerung, die obendrein schrumpft. Auch das bremst Wachstum.

Die Zinsen bleiben somit aller Voraussicht nach für einen langen Zeitraum strukturell sehr niedrig. Was das für die Altersvorsorge der Deutschen in Versicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds bedeutet, ist schnell umrissen:

Wer früher über 30 Jahre jeden Monat 250 Euro in seine Versicherung investierte, erreichte bei einer Rendite von 6% einen Auszahlungsbetrag von rund 244.800 Euro. Wer den gleichen Monatsbeitrag heute nur zu 2% anlegen kann, kommt nach 30 Jahren gerade einmal auf rund 123.000 Euro. Doch das sind nur die mathematischen Auswirkungen der niedrigen Zinsen.

Die höheren Risiken, die sich heute aus dem Vermögen von Versicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds ergeben, dürfen zudem nicht vergessen werden. Da ein bedeutender Teil des Anlagevermögens in Staats- und Bankanleihen investiert ist, sollte jedem Sparer eigentlich klar sein, dass das per Saldo ja gar nicht so sicher sein kann wie vielfach angenommen. Schließlich sind die Staaten rund um den Globus heute höher verschuldet als jemals zuvor. Und stecken Banken mitten in der größten Krise der Nachkriegszeit und verfügen mit Eigenkapitalquoten von deutlich unter 10% über eine denkbar schlechte Kapitalausstattung.

Dennoch sind rund 40% des liquiden Vermögens der Deutschen in Versicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds investiert. Wie kann das sein? Müssten die Altersvorsorge-Sparer in Anbetracht des zuvor Gesagten nicht eigentlich schlaflose Nächte haben?

Müssten sie, haben sie aber nicht. Und das, obwohl seit rund 20 Jahren vermutlich keine einzige Versicherung die ehemals vollmundig prognostizierten Auszahlungen am Ende erreicht hat. Aber immerhin, die Garantien wurden eingehalten. Und genau die sind letztlich der Grund, warum die deutschen Sparer einen unbeirrbaren Glauben an ihre private Altersvorsorge haben.

Da stört es auch nicht, dass die erste Pensionskasse in diesem Jahr bereits den eigentlich garantierten Zins für Versicherte herabsetzen musste. Eine Ausnahme? Noch, ja. Aber können Garantien eigentlich Ausnahmen haben? Was bringt dann letztlich eine Garantie? 

Diese Frage ist mehr als berechtigt. Insbesondere, wenn man sich mit dem §314 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) beschäftigt. Denn dieser hebelt letztlich jede Garantie von Versicherungen aus. Wer den Paragraphen nicht kennt, sollte ihn dringend lesen.

Die Garantie von Versicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds ist also eine Phantomgarantie. Man hat von ihr gehört, es gibt sie aber de facto nicht. Da bauen nun also Millionen von Sparern auf eine Garantie, die es gar nicht gibt und schlafen gut, obwohl sie eigentlich schweißgebadet aufwachen müssten.

Das Ergebnis der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, nach der drei Viertel aller Anleger nicht wissen, wie und wo sie ihr Geld noch sinnvoll anlegen können, wird da eigentlich zum Treppenwitz. Zum Verständnis: Wir wissen nicht, wo wir unser Geld noch sinnvoll anlegen können, stecken es aber in Altersvorsorge-produkte, die weder Zinsen, noch Sicherheiten, noch verlässliche Garantien bieten.

Es gibt Musiksendungen im deutschen Fernsehen, da würde man so etwas als unfuckingfassbar bezeichnen. Und – sind wir mal ganz ehrlich – das ist es auch.

Da hatte die Bild-Zeitung vor einigen Tagen also gar nicht so unrecht, als sie auf ihrem Titelblatt feststellte, dass wir Sparer mal wieder die Dummen sind.

Allerdings, liebe Bild-Zeitung, wir sind da nicht ganz schuldlos dran. Wir wollen zwar heute echte Revoluzzer sein, sind gegen das Establishment und stimmen mittlerweile gegen alles und jeden, glauben aber trotzdem jeden Blödsinn und hinterfragen nichts. Vielleicht sollten wir die deutschen Sparer einfach mal gemeinsam aufklären.

Ich stehe dafür gerne zur Verfügung.

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