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Die Abschaffung des Bargelds kommt.

Die breite Masse ist gegen die Abschaffung des Bargelds. Warum die Tage des Bargelds dennoch gezählt sind, lesen Sie hier.

Veröffentlicht auf Finanzwelt.de

 

Auch wenn Politik und EZB vehement das Gegenteil behaupten:

Die Abschaffung des Bargelds wird kommen. Für diese Erkenntnis bedarf es keines besonderen Weitblicks. Im Gegenteil – die Entwicklungen der letzten Jahre lassen wenig Spielraum für eine andere Einschätzung.

Warum? Ganz einfach:

In den letzten 25 Jahren ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt um rund 1,5 Billionen Euro gestiegen und hat sich damit verdoppelt. Klingt gut, könnte man meinen. Im gleichen Zeitraum haben sich unsere Staatsschulden allerdings vervierfacht, um ebenfalls 1,5 Billionen Euro. Was bleibt, ist die ernüchternde Erkenntnis, dass wir im zurückliegenden Vierteljahrhundert jeden Euro Wachstum zu 100% finanziert haben. Chapeau!

Bei diesen Zahlen müsste sich eigentlich auch der größte Optimist fragen, wo das von Politik und EZB propagierte Wachstum in den nächsten Jahren herkommen soll. Da unisono Einigkeit besteht, dass Schulden abgebaut werden müssen, fällt Triebwerk 1 definitiv schon mal aus. Berücksichtigt man zudem, dass die demographische Entwicklung in den Industriestaaten Konsumenten eher wegsterben als nachwachsen lässt, bleibt auch Triebwerk 2 ohne Schub. Überdies sind berechtigte Zweifel angebracht,  dass die heutigen Konsumenten ihre Ausgaben in Anbetracht von zwei Autos, zwei Fernsehern, zwei Smartphones, zwei Tablets, zwei Katzen, zwei Hunden, zwei Meerschweinchen und zwei Wellensittichen je Haushalt weiter forcieren können.

Wer 1 und 1 zusammenzählen kann, sollte sich also auf einen zermürbenden Gleitflug durch Nullwachstum vorbereiten. Auch wenn obige Rechnung so frappierend banal ist, dass sie jeder versteht, ist dies für die schlauen Köpfe aus Politik und EZB freilich noch lange kein Grund, dies zu akzeptieren und entsprechend zu handeln. Hier neigt man dann doch lieber dazu, sich auf die Erkennung komplexerer Strukturen und Wirkzusammenhänge zu fokussieren. Vermutlich, damit die Lösungen nicht ebenso banal klingen wie das tatsächliche Problem.

Ergo erfindet man kurzerhand den Negativzins – und mit diesem ein Instrument, das so schlau ist, dass die Menschheit in den letzten 5000 Jahren noch nicht darauf gekommen war. Wie schlau wir heute doch sind! Denn was ist per Saldo logischer und überzeugender als der Negativzins?!

Einem Schuldner wie Deutschland muss in seiner ohnehin schon schwierigen Situation einfach geholfen werden. Ihm auf seine hohen Schulden auch noch Zinsen in Rechnung zu stellen, wäre einfach nicht fair. Da ist der Negativzins also genau das richtige Mittel, Leid zu begrenzen.

Und ganz ehrlich – Anlegern Zinsen dafür zu zahlen, dass sie Geld auf Konten horten anstatt zu konsumieren, macht – das erschließt sich jedem mit einem Sinn für wirtschaftliche Logik – keinen Sinn. Also wird die EZB dafür sorgen, dass der Negativzins bald auch bei privaten Anlegern auf dem Konto ankommt. Und dann sorgt der Negativzins auch hier für klare Verhältnisse. Welcher Anleger wäre schließlich so verrückt, sein Geld bei negativen Zinsen auf dem Konto liegen zu lassen, anstatt es zu konsumieren?

Wie? Sie? Wieso? Sie wollen gar nicht Ihr ganzes Vermögen verkonsumieren? Ja aber dann schrumpft doch Ihr Vermögen durch die negativen Zinsen von Tag zu Tag. Das macht doch keinen Sinn.

Ach so! Sie wollen das Geld einfach abheben und zukünftig in Bargeld machen! Das ist ja schlau! Obwohl – vielleicht sollten Sie das doch noch einmal überdenken. Denn wenn Sie das Geld einfach abheben, dann bleibt der EZB letztlich gar nichts anderes übrig, als das Bargeld abzuschaffen. Ansonsten könnte der Negativzins als Zauberwaffe der EZB seine ganze Pracht ja überhaupt nicht entfalten.

Dass die EZB das Bargeld absehbar abschafft, liegt in Anbetracht der bisher erfolglosen Versuche, die Wirtschaft anzukurbeln auf der Hand. Denn es bleiben der EZB letztlich nur noch zwei Mittel, uns als Konsumenten auf die Spur zu bringen: Helikoptergeld und der kollektive Negativzins für alle. Spätestens nachdem die Einmalwirkung des ebenfalls durchaus absehbaren Helikoptergelds verpufft ist, wird die EZB dem Negativzins durch die Abschaffung des Bargelds Respekt verschaffen.

Am Ende wird auch das freilich nicht helfen, uns aus dem Schulden- und Wachstumsdilemma herauszuholen. Der über Jahrzehnte aufgestaute Schuldenexzess lässt sich schlicht nicht mit Mitteln beseitigen, deren Grundlage das Verschenken von Geld ist und/oder bei denen Geld nichts kostet. Exzesse lassen sich nicht mit neuen Exzessen beseitigen. Aber das ist ein anderes Thema und vermutlich für EZB und Politik eine ebenfalls zu banale Erkenntnis.

Was ist für die breite Masse eigentlich so faszinierend an Bargeld, dass sich diese so vehement gegen dessen Abschaffung stemmt?

Wenn ich bedenke, dass meine Frau in ihrem Unternehmen kürzlich einen Kfz-Mechaniker an eine kleine, markenunabhängige Werkstatt verloren hat, da diese ihren Mitarbeitern jeden Monat 700 Euro des Gehalts schwarz auf die Hand zahlt, bin ich ehrlich gesagt sogar klarer Befürworter für eine Abschaffung des Bargelds. Derartige Betrügereien und Schäden für Staatskasse und Sozialversicherungen wären von heute auf morgen Schnee von gestern.

Dafür nähme ich es gerne in Kauf, dass jederzeit nachvollziehbar ist, ob ich meine Schlüpfer bei H&M, Zara oder im Schiesser-Feinripp-Flagship-Store kaufe.