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Interview zum Ausblick auf das Börsenjahr 2017

Das neue Börsenjahr steht vor der Tür. André Kunze erläutert im Interview, welche Marktentwicklungen Prometheus für 2017 erwartet.

 

Der geschäftsführende Gesellschafter der Prometheus Vermögensmanagement GmbH zeichnet im Unternehmen für den Bereich Kapitalmarktanalyse verantwortlich. Der diplomierte Bankbetriebswirt sieht sich sich selbst als Querkopf und ist sich dabei nicht zu schade, sich selbst und die Branche mitunter provokativ zu hinterfragen.

 

„DAX 20.000 Punkte. Traditionelle Diversifikation ist am Ende.“

André Kunze von Prometheus bezieht im persönlichen Gespräch klar Position. Seine Aussagen sind provokativ, erweisen sich im Gespräch aber als durchaus nachvollziehbar. Kunze vertritt die Auffassung, dass Aktien kein angemessenes Chance-/Risikoverhältnis aufweisen, der DAX dennoch auf 20.000 Punkte steigen wird. Traditionelle Diversifikation hat für Kunze ausgedient und Vermögensverwalter sowie Fondsmanager sind in seinen Augen nur selten ihr Geld wert. 

Interviewer: Herr Kunze, wir kennen Sie als jemanden, der seine persönlichen Einschätzungen stets offen ausspricht und dabei selten ein Blatt vor den Mund nimmt. Was erwarten Sie nach den beinahe euphorischen letzten Börsenwochen des Jahres 2016 für das Börsenjahr 2017?

Kunze: Als Optimist bin ich überzeugt, dass es per Saldo ein richtig gutes Jahr wird. Allerdings bin ich mir alles andere als sicher, ob das auch für die Börsen gilt (lacht). Spaß beseite. Letztlich weiß ich nur eins: Weder dieses noch die nächsten Jahre werden ein Spaziergang. Wohin sich die Märkte am Ende bewegen, ist schlicht und ergreifend nicht vorhersehbar. In diesem paradoxen Umfeld ist alles möglich. Wer anderes behauptet, muss in seinem früheren Leben Hofnarr gewesen sein. Ehrlich gesagt, macht es mir persönlich derzeit auch weniger Sorgen wo die Märkte hinlaufen.

Interviewer: Welche Themen beschäftigen Sie denn zurzeit?

Kunze: Mich stimmt es bedenklich, dass die Branche in den letzten zwei Jahrzehnten nicht wirklich viel dazu gelernt hat. Am Ende wird dies wieder zu Lasten der Ersparnisse vieler privater Anleger gehen, die nicht überschauen können, was man ihnen da heute vielfach vorgaukelt.

Interwiewer: Das müssen Sie genauer erläutern…

Kunze: Nehmen wir das Beispiel mit der angeblichen Alternativlosigkeit von Aktien. Kaum ein Tag vergeht, an dem ich nicht irgendwo lese oder höre, dass Aktien heute alternativlos sind. Alternativlos warum? Weil es keine Zinsen mehr gibt?  

Interviewer: Aktien sind aber doch die einzige Anlageform, die noch Erträge bringt.

Kunze: Willkommen im Club des monetären Mainstreams. Wir sehen das etwas differenzierter. Schauen wir uns doch mal die Charakteristika der Aktienmärkte etwas genauer an. In den vergangenen 50 Jahren hat es unser Lieblingskind DAX auf eine durschnittliche Rendite von rund 7% pro Jahr gebracht. Darin enthalten ist ein Jahrzehnt wie das von 1990 bis 1999 mit 14,5% pro Jahr. Aber auch das Jahrzehnt von 2000 bis 2009 mit -0,3% pro Jahr sollten wir nicht vergessen. Damit sind die Renditekennzahlen des Marktes umrissen. Fehlen noch die Risikokennzahlen. Und da hat der DAX nicht gegeizt. Der größte zwischenzeitliche Kursverlust lag hier bei sage und schreibe 72,7%. Die längste Verlustphase des DAX beläuft sich auf mehr als 13 Jahre. Das heißt, ein Anleger musste im Zweifel mehr als 13 Jahre warten, um sein ursprünglich investiertes Kapital wieder zurück zu erhalten. In den letzten 50 Jahren ist das gleich zweimal passiert. Kann so etwas eine alternativlose Anlageform sein?

Interviewer: Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Kunze: Zwei Dinge: Erstens verfügen Aktien im Buy&Hold-Modus nicht über ein angemessenes Chance-/Risikoverhältnis. Ohne erfolgreiches Timing oder Glück ist mit Aktien viel zu oft und viel zu lange nicht gut Kirschen essen. Zweitens – und das bereitet mir die größeren Sorgen – werden zurzeit wieder viele private Anleger durch pauschale und obendrein falsche Aussagen in etwas hinein getrieben, was mächtig schief gehen kann. Diese Geschichte kommt mir bekannt vor. 

Interviewer: Sind Anleger heute durch die Berichterstattung nicht deutlich erfahrener als zu Zeiten des Neuen Marktes? Dass man nicht alle Eier in einen Korb legt und Vermögen breit streut, ist Anlegern heute doch vermutlich bewusst.

Kunze: Da sind wir bei unserem nächsten Problem: Traditionelle Diversifikation. Diese wird ähnlich wie die Bedeutung von Aktien überschätzt. Auch hier genügt ein Blick auf die Historie. Seit dem Jahr 2000 haben wir zwei größere Krisen durchlaufen müssen – von Herbst 2000 bis Frühjahr 2003 und von Herbst 2007 bis Frühjahr 2009. Die Ergebnisse von Vermögensverwaltern und Fondsmanagern in dieser Zeit waren in der Breite alles andere als überzeugend – trotz breiter Risikostreung. So verlor beispielsweise der Durchschnitt aller Mischfonds mit ausgewogener Anlagestrategie in beiden Krisen jeweils rund 30%. Zudem mussten Anleger in beiden Phasen jeweils mehr als 5 Jahre warten, um ihre Verluste wieder aufzuholen. Man könnte es auch mit wenigen Worten auf den Punkt bringen: Die traditionelle Risikostreuung hat versagt und führt am Ende nicht zu überzeugenden Ergebnissen.

Interviewer: Damit zeichnen Sie ein recht düsteres Bild und machen Anlegern nicht gerade Hoffnung.

Kunze: Ein düsteres Bild, welches aber letztlich der Realität entspricht. Die letzten fetten Börsenjahre täuschen über den Kern des Problems hinweg. Heute wird sich allerorten für die hohen Kursgewinne der letzten Jahre selbst auf die Schultern geklopft. Dabei sind diese nahezu ausschließlich dem Wohlwollen der Märkte bzw. der Vollgas-Politik der Zentralbanken geschuldet. Weder in guten noch in schlechten Zeiten ist es Vermögensverwaltern und Fondsmanagern bis dato gelungen, sich erkennbar von den Benchmarks abzusetzen. Das gilt selbst für die Top-Vermögensverwalter und Fondsmanager. Auch uns nehme ich da nicht aus. Was bei der nächsten größeren Krise passiert, ist vorprammmiert. Man kann nur hoffen, dass den Märkten die Bergfahrt nicht ausgeht.

Interviewer: Ihre bisherigen Erläuterungen lassen nicht darauf schließen, dass Sie noch eine länger anhaltende Bergfahrt erwarten.

Kunze: Wie eingangs bereits dargestellt, ist es unmöglich, Märkte zuverlässig vorherzusagen. Wann die nächste Talfahrt bevorsteht, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Eines ist aber sehr sicher: Das aktuelle Umfeld mit ausufernden Staatsschulden, Zinssätzen nahe oder gar unter der Null und auf globaler Ebene unterdurch-schnittlichen Wachstumsraten lässt erwarten, dass wir bei den Renditen mit Magerkost zu rechnen haben. Dass wir uns zudem früher oder später mit größeren Verwerfungen auseinander setzen müssen, ist in unseren Augen weniger pessimistisch als realistisch. 

Interviewer: Sie bleiben der Trübseligkeit also treu.

Kunze: (lacht) Das ist hier wie in jedem guten Film. Ein Happy End wird nur dadurch perfekt in Szene gesetzt, wenn schon niemand mehr daran glauben will.

Interviewer: Wollen Sie uns doch noch Hoffnung machen, nachdem Sie zuvor bereits alle Hauptdarsteller erlegt haben?

Kunze: Für die nächsten zwei, drei Jahre ist die Sitaution ja nicht aussichtslos. Vielleicht haben die Notenbanken noch etwas Saft in den Beinen, um die liquiditätsgetriebene Bergfahrt an den Märkten fortzusetzen. Das wird all denjenigen, die aus der Vergangenheit nichts gelernt haben, noch etwas Zeit geben, das Wohlwohlen der Märkte auszukosten.

Interviewer: Das klingt allerdings nicht nach einem überzeugenden Happy End. Da haben Sie die Erwartungen gerade höher geschraubt.

Kunze: Ich war ja auch noch nicht ganz fertig. Es gibt ja schließlich auch noch diejenigen, die aus der Historie etwas gelernt haben.

Interviewer: Welche Lehren haben Sie aus den Märkten gezogen?

Kunze: 1. Was ich eingangs über Aktieninvestments gesagt habe, gilt ebenso für Währungs- und Rohstoffinvestments. Hier war in den vergangenen Jahrzehnten mit Buy&Hold kein angemessenes Chance-/Risikoprofil zu erzielen. Im Vergleich zu den Erträgen waren die zwischenzeitlichen Verluste zu hoch und die damit verbundenen Aufholphasen zu lang.

2. Aufgrund der historischen Niedrigzinsen sind mit Renten auf Sicht der nächsten Jahre keine Erträge zu erzielen. Ein Puffer für die zuvor genannten Anlageklassen existiert somit nicht mehr.

3. Aus 1. und 2. ergibt sich, dass die althergebrachte Kombination der Anlageklassen Aktien, Renten, Währungen und Rohstoffe eine riskante Wette auf das Wohlwollen der Märkte ist und somit zu passiv ist, um am Ende zu überzeugenden Ergebnissen zu kommen.

Und last but not least 4. Die Märkte bieten keine langfristigen Perspektiven mehr. In einer Zeit, in der das Geschäftsmodell eines Konzerns durch eine einzelne Nachricht aus den Angeln gehoben werden kann – wie beispielweise bei VW und RWE geschehen – ist der Begriff Investment neu zu definieren. Kurzfristige, opportunistische Ansätze lösen langfristige, dogmatische Überzeugungen ab.

Interviewer: Können Sie uns abschließend erläutern, welche Auswirkungen diese Erkenntnisse auf Ihre Anlageentscheidungen haben?

Kunze: Wir fokussieren uns heute vorrangig auf Strategien, die nicht sklavisch auf steigende Kurse angewiesen sind und die in einem hohen Maße unabhängig von der Richtung der Märkte sind. Das sind insbesondere alternative Investmentstrategien und Absolute Return-Ansätze. Allen gemein ist die Möglichkeit bei sämtlichen Märkten sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse setzen zu können. Erfolgreiche Diversifikation bedeutet für uns heute, sein Vermögen breit gestreut und gleichgewichtet auf eine Vielzahl unterschiedlicher, hochflexibler All-Wetter-Strategien bzw. All-Wetter-Fonds zu verteilen, statt eine statische Verteilung des Vermögens auf Aktien, Renten, Rohstoffe und Währungen vorzunehmen. Daneben favorisieren wir antizyklische Anlageansätze.

Interviewer: Sprechen denn die jüngst verbesserten Wirtschaftsdaten – insbesondere in den USA – nicht für ein gutes Aktienmarktumfeld und damit für Aktieninvestments?

Kunze: Kurzfristig mag das sein. Man sollte aber hinterfragen, wie nachhaltig dieser  Wachstumstrend ist. Wenn man bedenkt, dass in den letzten 2 Jahrzehnten jeder Euro Wachstum mit einem Euro Schulden erkauft wurde, dann wird schnell klar, dass der treibende Faktor für Wachstum entfällt. Denn: Wir sind an dem Punkt angekommen, an dem Schulden weltweit abgebaut werden müssen. Zudem schrumpft und überaltert in allen wichtigen Industrieländern die Gesellschaft. Das bremst Konsum und damit Wachstum nachhaltig. In Ermangelung der finanziellen Mittel und einer häufig fehlenden demokratischen Grundordnung werden das die Schwellenmärkte nicht ausgleichen können.  

Interviewer: Auch wenn Sie Prognosen für die Märkte grundsätzlich für nicht möglich halten, würden Sie für unsere Leser dennoch zum Abschluss einen Ausblick wagen, wo die Aktienmärkte und die Zinsmärkte am Ende des Börsenjahres 2017 stehen?

Kunze: Ich sehe, Sie lassen nicht locker. Zu folgenden Aussagen lasse ich mich hinreißen: Größere Zinsanstiege wird es in Europa nicht geben, da die Staaten in der aktuellen Verschuldungssituation schlicht nicht in der Lage sind, deutlich höhere Zinssätze zu schultern. Das weiß die Europäische Zentralbank und sie wird daher alles dafür tun, möglichen Problemen entgegen zu wirken. Eine 2 vor dem Komma sehen wir bei der 10-jährigen deutschen Bundesanleihe und bei Tagesgeldern in den nächsten Jahren nicht. Hinsichtlich der Aktienmärkte überrasche ich Sie nun einfach mal. Ich wäre nicht überrascht, wenn die Aktienmärkte in den nächsten zwei bis drei Jahren eine massive Rallye hinlegen und wir einen DAX erleben, der sich unter großen Schwankungen an die 20.000 Punkte-Marke heran pirscht.

Interviewer: Nun bin ich in der Tat überrascht. Das klingt jetzt ja doch noch nach Happy End.

Kunze: Das ist eine Frage der Perspektive. Ein Happy End hieße ja, dass unser Blockbuster mit dieser Aktienmarktrallye endet. Das wird er nicht. Die Probleme holen uns früher oder später ein und werden zu großen Verwerfungen führen.  Das bietet ausreichend Stoff für einen zweiten Teil unseres Blockbusters. Dieser wird Charakterzüge tragen, die eher den überzogenen Hollywood-Verfilmungen von Roland Emmerich nahe kommen.

Interviewer: Da sind Sie ja wieder. Ich hatte Ihre Skepsis nach dem kurzen Ausflug in den Höhenflug der Aktienmärkte schon fast vermisst. Trotzdem noch einmal zurück zu Ihrem kurzfristig optimistischen  Ausblick für die Aktienmärkte. Worauf fußt dieser?

Kunze: Das hat eher technische als fundamentale Gründe. Auf der einen Seite wird es den Notenbanken vermutlich noch einige Zeit gelingen, politische und wirtschaftliche Krisen an den Märkten einfach wegzukaufen, indem sie interveniert, wenn die Kurse in die falsche Richtung laufen und Unruhe bei Investoren aufzukommen droht. Das ist kein Geheimnis. Sowohl die amerikanische Notenbank Fed als auch die Europäische Zentralbank EZB haben diesbezüglich entsprechende Statements abgegeben. Nach unten verfügen die Märkte also durch die Omnipräsenz der Zentralbanken zunächst noch über ein gewisses Auffangnetz. Lassen wir dann alle Nachrichten und Gefühle einmal außen vor und werfen nur einen Blick auf die langfristigen Charts der Aktienmärkte, dann lässt sich ein rasanter Börsenaufschwung in den nächsten Jahren durchaus ableiten. 

Interviewer: Woran machen Sie das fest?               

Kunze: Die Aktienmärkte haben im letzten Jahrhundert diverse Zyklen ausgeprägt. Der letzte langjährige Börsenaufschwung lief von 1982 bis 2000. Anschließend kam es bis Mitte 2013 mehr als ein Jahrzehnt zu einem zermürbenden Seitwärtstrend mit dramatischen Kursverlusten in 2001/2002 und 2008. Im Sommer 2013 sind wir aus diesem Seitwärtstrend nach oben ausgebrochen, haben dieses Ausbruchsniveau anschließend noch einmal idealtypisch von oben getestet und sind aufgrund des jüngsten Anstiegs des amerikanischen Aktienmarkts auf neue Höchstkurse charttechnisch nun nach oben offen. Man könnte sagen: The Sky is the limit. Daher würde ich mich nicht wundern, wenn wir nun in die steilste und letzte Phase eines typischen Börsenaufschwungs hinein laufen.

Interviewer: Herr Kunze, wir danken Ihnen für das Gespräch und Ihren unkonventionellen Blick auf die Märkte.