André Kunze: Unzufrieden - trotz deutschem Rekord im Fiskus-Werfen.
Neuer deutscher Rekord im Fiskus-Werfen.
Ich weiß nicht, ob Sie heute Nacht diesen ungehemmten germanischen Urschrei gehört haben. Falls ja – das war ich.
Denn: Ich habe diese Nacht den neuen deutschen Rekord im Fiskus-Werfen aufgestellt. Mit meinem primatenartigen Urschrei und einer gehörigen Portion Wut im Bauch habe ich den Fiskus exakt 7.762,53 Kilometer weit geschleudert – bevor er ungebremst vor die chinesische Mauer geklatscht ist.
Dann wurde ich schweißgebadet wach.
Vielleicht hätte ich mich über die Investmentsteuerreform, die Angang 2018 in Kraft tritt, doch nicht so aufregen sollen. Andererseits, es regt sich ja sonst niemand auf.
Dabei lassen einen logisch denkenden Menschen die neuen Besteuerungsgrundlagen für Fonds in der Tat an der Zurechnungsfähigkeit der handelnden Personen im Bundesfinanzministerium zweifeln. Was hat meinen nächtlichen Urschrei ausgelöst?
Es ist nicht etwa die Tatsache, dass der Gesetzgeber den Bestandsschutz für vor 2009 erworbene Fondsanteile kurzerhand abschafft und sich damit einmal mehr, nicht darum schert, was er früher gesagt hat. An derartige Dinge haben wir uns ja mittlerweile gewöhnt.
Warum ich des Nachts schweißgebadet Fiskus werfe, liegt an folgenden Punkten:
1. Konservative Anleger werden benachteiligt.
Für Fonds mit einem Aktienanteil von über 50% wird es ab 2018 eine steuerliche Teilfreistellung in Höhe von 30% geben. Diese bewirkt, dass bei Aktienfonds zukünftig 30% der Kursgewinne steuerfrei vereinnahmt werden. Zugegeben, Dividendeneinnahmen aus Aktien werden auf Fondsebene gegenüber Zinseinnahmen dafür zukünftig schlechter behandelt und mit 15% versteuert. Hier haben Zinserträge die Nase also etwas vorn. Aber – bei Aktienfonds sind es letztlich vorrangig die Kursgewinne, die die Rendite ausmachen. So waren von den gut 14% Rendite, die der DAX in den letzten 5 Jahren im Schnitt pro Jahr erzielt hat, lediglich rund 3% auf die Dividenden zurückzuführen. Von den 11% Kursgewinnen blieben bei Aktienfonds zukünftig also 3,3% (30% von 11%) steuerfrei.
Demgegenüber sind Rentenfonds steuerlich klar im Nachteil. Denn diese unterliegen sowohl mit ihren Zinsen als auch mit ihren Kursgewinnen vollständig der Abgeltungssteuer. Welchen Sinn hat das? Sind Aktienanleger die besseren Anleger? Volkswirtschaftlich sicherlich nicht, denn Rentenfonds versorgen den Staat, Banken und Unternehmen mit den so dringend benötigten Krediten. Wo sonst hätte Vater Staat seine gut 2 Billionen Euro an Krediten her, wenn Anleger seine Anleihen nicht gekauft und als Geldanlage betrachtet hätten? Konservative Anleger in Rentenfonds sind also ein wichtiger Teil, damit der Staat mit seinen Finanzen nicht im Trockenen schwimmt. Belohnt werden sie dafür jedoch nicht.
Gut, Sie könnten nun argumentieren, dass es derzeit ja keine Zinsen gibt und Anleger in Rentenfonds daher ohnehin nichts zu versteuern haben. Aber da kennen Sie die fiskalische Ideenschmiede des Bundesministerium für Finanzen (BMF) schlecht.
2. Die Kunst der Virtualität
Die BMF-Ideenschmiede hat sich folgenden ausgeklügelten Coup einfallen lassen:
Da man die Komplexität bei der Besteuerung thesaurierender Fonds beseitigen wollte, hat man im BMF den Basiszins, eine Art virtuellen Mindestzins, und die Vorabpauschale, die vorweggenommene Besteuerung zukünftiger Wertsteigerungen, aus dem Ärmel geschüttelt. Hä?! Wa?!
Genau das müsste einem durch den Kopf gehen, wenn man noch ein kleines bisschen Saft unter der Mütze hat. Versuchen wir es trotzdem einmal zu verstehen. Fangen wir mit dem Basiszins an. Dieser wird von der Deutschen Bundesbank aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen jedes Jahr aufs Neue errechnet und vom BMF veröffentlicht. So wurde für 2016 beispielsweise ein Basiszins von 1,1% und für 2017 von 0,59% bekanntgegeben.
Das BMF nimmt nun an, dass jeder Fonds im Jahr mindestens in Höhe des Basiszinses Erträge erzielt. Wobei – das stimmt nicht ganz: Das BMF legt genau genommen nur 70% des Basiszinses zugrunde. Das nehmen Sie bitte einfach mal so hin, sonst würde es an dieser Stelle den Rahmen sprengen.
Wenn das neue Investmentsteuerrecht heute schon gelten würde, ginge das BMF also davon aus, dass jeder Fonds in 2017 einen Ertrag von mindestens 0,413% (70% von 0,59%) erzielt. Hierauf käme dann die Abgeltungssteuer in Höhe von 25% zum Ansatz (Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer lassen wir der Einfachheit halber außen vor).
Zur Erläuterung ein einfaches Beispiel:
Bei einer Fondsanlage in Höhe von 50.000 EUR geht das BMF davon aus, dass Sie einen Ertrag von mindestens 206,50 EUR erzielen (50.000 EUR x 0,413%). Das wiederum ergibt eine Steuerbelastung von 51,62 EUR (206,50 EUR x 25%).
Dieser Betrag wird – jetzt kommt's – Ihrem Girokonto ab 2018 als Vorabpauschale belastet, sofern Ihr Fonds im Vorjahr keine oder eine geringere Ausschüttung geleistet hat.
Nehmen wir nun weiter an, Sie hätten Ihre 50.000 EUR als konservativer Anleger in einen Euro-Geldmarktfonds oder einen Euro-Rentenfonds mit kurzlaufenden Anleihen investiert. In den letzten 2 Jahren hätten Sie keine Ausschüttung erhalten, da die Zinsen in beiden Anlagesegmenten negativ waren und sind. Nichtsdestotrotz belastet Ihre Bank Ihrem Girokonto im Auftrag des BMF in diesem Fall zukünftig jährlich zum Jahresbeginn 51,62 EUR an Steuern. Kein Witz. Realität.
Bevor Sie jetzt aber gänzlich den Glauben verlieren: Wenn Sie Ihren Fonds irgendwann verkaufen, prüft die Bank, ob Sie über die Jahre zu viel an Steuern gezahlt haben. Ist dies der Fall, wird Ihnen die zu viel gezahlte Vorabpauschale immerhin angerechnet. Lachen höre ich Sie trotzdem nicht.
3. Fondsindustrie tanzt den Steuer-Samba
Da es bei der eingangs erwähnten Teilfreistellung zwei wichtige steuerliche Schwellen gibt, will die Fondsindustrie für Anleger steuerlich natürlich das Beste herausholen.
Legt ein Fonds in seinen Anlagebedingungen fest, dass er über 50% in Aktien investiert, so beträgt die steuerliche Teilfreistellung 30%. Bei einem Aktienanteil von mehr als 25% beträgt die Teilfreistellung immerhin noch 15%. Das führt nun dazu, dass eine Fondsgesellschaft nach der anderen ankündigt, in den Anlagebedingungen ihrer Fonds dafür zu sorgen, dass die Aktienquoten zukünftig steuerlich optimiert werden und die Schwellen von 25% bzw. 50% überschritten werden.
Klingt toll, oder?! Ergibt aber nicht wirklich Sinn, da dies im Zweifel zu Lasten der zuvor noch gewünschten Flexibilität geht oder aber Absicherungen über Derivate notwendig werden, die in den seltensten Fällen 1:1 umsetzbar sind. Trotzdem lässt sich die Branche mal wieder vom Fiskus treiben, damit ja kein Anleger aus steuerlichen Gründen zum Mitbewerber wechselt. Dabei hat die Historie in schöner Regelmäßigkeit gezeigt, dass man nicht gut beraten ist, die eigene Anlagestrategie von steuerlichen Aspekten beeinflussen zu lassen.
4. Backpfeife für Kleinanleger
Zu guter Letzt verteilt die Investmentsteuerreform Backpfeifen an Kleinanleger. Die Besteuerung von Dividenden auf Fondsebene führt für zahlreiche Anleger, die den Freibetrag nicht ausnutzen, zu einer deutlich höheren Steuerbelastung.
Wer ab 2018 beispielsweise über ein Aktienfondsvermögen von 25.000 EUR verfügt, zahlt zukünftig – Aktiendividenden von 3% zugrunde gelegt – bereits auf Fondsebene 112,50 EUR an Steuern (15% von 750 EUR). Nach altem Recht blieb die Dividende in Höhe von 750 EUR aufgrund des Freibetrag von 801 EUR hingegen vollständig steuerfrei.
Das BMF spricht in seinen Veröffentlichungen von lediglich 3 EUR, die Anleger, welche den Freibetrag nicht ausschöpfen, zukünftig im Schnitt pro Jahr mehr zahlen. Legt man diese 3 EUR zugrunde und bemüht sich, dem „schnittigen“ Anleger des BMF mathematisch auf die Spur zu kommen, so sollte dieser „Schnitt“ über ein Aktienfondsvermögen in Höhe von rund 670 EUR verfügen (670 EUR x 3% Dividende = 20,10 EUR Dividende x 15% Steuer auf Fondsebene = 3,02 EUR Steuer).
Selbst wenn sich der „Schnitt“ des BMF tatsächlich statistisch herleiten lässt, an zahlreichen Kleinanlegern macht unser Fiskus ab 2018 ein guten Schnitt. Schließlich hat jeder „Schnitt“ die Eigenart, dass im Schnitt rund die Hälfte über ihm liegt.
Lieber Fiskus! Wenn es Preise im fiskalen Hammerwerfen geben würde, Du hättest sie mit dieser Investmentsteuerreform alle abgeräumt! Das einzig Gute daran ist, dass ihre Halbwertzeit ähnlich überschaubar sein wird wie die der letzten. Nimm es mir bis dahin nicht krumm, wenn es bei meinem nächtlichen Fiskus-Werfen mitunter immer mal wieder etwas lauter wird.